Neuroplastizität: Unterschied zwischen den Versionen

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== Grundlagen ==
* Plastizität: Fähigkeit, auf funktionelle/morpholigische Veränderungen modifizierte Organisationsstrukturen zu entwickeln
* auch erwachsenes Gehirn in jedem Alter zu plastischen Anpassungsprozessen imstande
* auch erwachsenes Gehirn in jedem Alter zu plastischen Anpassungsprozessen imstande
* '''Gebrauchsabhängige Plastizität''': vermehrter Gebrauch einer Extremität/Muskelgruppe (passive/aktive Beübung) ⇒ Vergrösserung der kortikalen Repräsentationen ⇒ Funktionsverbesserung
* '''Gebrauchsabhängige Plastizität''': vermehrter Gebrauch einer Extremität/Muskelgruppe (passive/aktive Beübung) ⇒ Vergrösserung der kortikalen Repräsentationen ⇒ Funktionsverbesserung
* '''Läsionsinduzierte Plastizität''': Kompensationsfaktoren zur optimalen Ausnutzung der intakt gebliebenen Strukturen ⇒ z.B. Vergrösserung der kortikalen Repräsentation von Muskeln proximal einer Amputation
* '''Läsionsinduzierte Plastizität''': Kompensationsfaktoren zur optimalen Ausnutzung der intakt gebliebenen Strukturen ⇒ z.B. Vergrösserung der kortikalen Repräsentation von Muskeln proximal einer Amputation
** Plastizitätvermittelnde Mechanismen:
*** Übernahme gestörter Funktionen durch benachbarte Hirnareale (Vikariation)
*** Morphologische Veränderungen definierter kortikaler Repräsentationsfeldern
*** Wiederherstellung axonaler und dendritischer Nervenendigungen (Aussprossung von Nervenendigungen):
**** im peripheren Nervensystem → neue funktionelle Nervenverbindungen möglich
**** im ZNS erschwert, u. a. durch Fehler der Schwann-Zellen als "Leitschiene" und Barriere durch Narbengewebe (Gliazellen, Astrozyten)
*** kollaterale Axonsprossung aus benachbarten intakten Nervenzellen
*** Funktionsverlust eines von der primären Läsion weiter entfernt liegenden Hirnareals (Diaschisis)
*** Verbesserung der Signalübertragung an Synapsen (synaptische Plastizität) → Auslösung von Long-Term-Potentiation-Vorgängen
*** Anregung der Neuroplastizität "enriched environment"
*** Neubildung von Nervenzellen aus neuralen Stammzellen (Neurogenese)
** bei erfolgreich rehabilitierten Schlaganfallpatienten:
*** vermehrte Aktivierung der nicht betroffenen Hemisphäre
*** kortikale Repräsentation paretischer Bereiche kurz nach Schlaganfallereignis verkleinert, während rehabilitativer Förderung Expansion
* '''Therapieinduzierte Plastizität''': Vergrösserung der Repräsentationsareale durch Aufnahme einer physiotherapeutischen Behandlung sowie eine Verschiebung des Arealschwerpunktes, auch nach mehr als zwölf Monaten noch signifikante, therapeutisch induzierte Leistungsverbesserungen nachweisbar
* '''Therapieinduzierte Plastizität''': Vergrösserung der Repräsentationsareale durch Aufnahme einer physiotherapeutischen Behandlung sowie eine Verschiebung des Arealschwerpunktes, auch nach mehr als zwölf Monaten noch signifikante, therapeutisch induzierte Leistungsverbesserungen nachweisbar
* '''Pharmakologische Förderung der Neuroplastizität''':
* '''Pharmakologische Förderung der Neuroplastizität''':
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** SSRI: Antrieb, Stimmung, Mitarbeitsfähigkeit, motorische Lernleistung
** SSRI: Antrieb, Stimmung, Mitarbeitsfähigkeit, motorische Lernleistung
** Cave: Benzodiazepine → negativer Effekt auf Neuroplastizität und funktionelle Lernleistung
** Cave: Benzodiazepine → negativer Effekt auf Neuroplastizität und funktionelle Lernleistung
== Mechanismen ==
* Übernahme gestörter Funktionen durch benachbarte Hirnareale (Vikariation)
* Morphologische Veränderungen definierter kortikaler Repräsentationsfeldern
* Wiederherstellung axonaler und dendritischer Nervenendigungen (Aussprossung von Nervenendigungen):
** im peripheren Nervensystem → neue funktionelle Nervenverbindungen möglich
** im ZNS erschwert, u. a. durch Fehler der Schwann-Zellen als "Leitschiene" und Barriere durch Narbengewebe (Gliazellen, Astrozyten)
* kollaterale Axonsprossung aus benachbarten intakten Nervenzellen
* Funktionsverlust eines von der primären Läsion weiter entfernt liegenden Hirnareals (Diaschisis)
* Verbesserung der Signalübertragung an Synapsen (synaptische Plastizität) → Auslösung von Long-Term-Potentiation-Vorgängen
* Anregung der Neuroplastizität "enriched environment"
* Neubildung von Nervenzellen aus neuralen Stammzellen (Neurogenese)
* bei erfolgreich rehabilitierten Schlaganfallpatienten:
** vermehrte Aktivierung der nicht betroffenen Hemisphäre
** kortikale Repräsentation paretischer Bereiche kurz nach Schlaganfallereignis verkleinert, während rehabilitativer Förderung Expansion


[[Kategorie:Rehabilitation]]
[[Kategorie:Rehabilitation]]

Version vom 23. Oktober 2010, 10:32 Uhr

Grundlagen

  • Plastizität: Fähigkeit, auf funktionelle/morpholigische Veränderungen modifizierte Organisationsstrukturen zu entwickeln
  • auch erwachsenes Gehirn in jedem Alter zu plastischen Anpassungsprozessen imstande


  • Gebrauchsabhängige Plastizität: vermehrter Gebrauch einer Extremität/Muskelgruppe (passive/aktive Beübung) ⇒ Vergrösserung der kortikalen Repräsentationen ⇒ Funktionsverbesserung
  • Läsionsinduzierte Plastizität: Kompensationsfaktoren zur optimalen Ausnutzung der intakt gebliebenen Strukturen ⇒ z.B. Vergrösserung der kortikalen Repräsentation von Muskeln proximal einer Amputation
  • Therapieinduzierte Plastizität: Vergrösserung der Repräsentationsareale durch Aufnahme einer physiotherapeutischen Behandlung sowie eine Verschiebung des Arealschwerpunktes, auch nach mehr als zwölf Monaten noch signifikante, therapeutisch induzierte Leistungsverbesserungen nachweisbar
  • Pharmakologische Förderung der Neuroplastizität:
    • Amphetamine: Einnahme unmittelbar vor intensiver Physiotherapie
    • L-Dopa retard (200 mg/d): motorisches Lernen
    • Piracetam (4,8 g/d): bei Aphasie nachgewiesen
    • SSRI: Antrieb, Stimmung, Mitarbeitsfähigkeit, motorische Lernleistung
    • Cave: Benzodiazepine → negativer Effekt auf Neuroplastizität und funktionelle Lernleistung

Mechanismen

  • Übernahme gestörter Funktionen durch benachbarte Hirnareale (Vikariation)
  • Morphologische Veränderungen definierter kortikaler Repräsentationsfeldern
  • Wiederherstellung axonaler und dendritischer Nervenendigungen (Aussprossung von Nervenendigungen):
    • im peripheren Nervensystem → neue funktionelle Nervenverbindungen möglich
    • im ZNS erschwert, u. a. durch Fehler der Schwann-Zellen als "Leitschiene" und Barriere durch Narbengewebe (Gliazellen, Astrozyten)
  • kollaterale Axonsprossung aus benachbarten intakten Nervenzellen
  • Funktionsverlust eines von der primären Läsion weiter entfernt liegenden Hirnareals (Diaschisis)
  • Verbesserung der Signalübertragung an Synapsen (synaptische Plastizität) → Auslösung von Long-Term-Potentiation-Vorgängen
  • Anregung der Neuroplastizität "enriched environment"
  • Neubildung von Nervenzellen aus neuralen Stammzellen (Neurogenese)
  • bei erfolgreich rehabilitierten Schlaganfallpatienten:
    • vermehrte Aktivierung der nicht betroffenen Hemisphäre
    • kortikale Repräsentation paretischer Bereiche kurz nach Schlaganfallereignis verkleinert, während rehabilitativer Förderung Expansion