Spastik: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 16. November 2010, 14:55 Uhr

Grundlagen

  • Unterbrechung inhibitorischer deszendierender Bahnen
    → fehlende Hemmung mono-/polysynaptischer spinaler Regelkreise
    → Erregbarkeitssteigerung von α-Motoneuronen

Klinik

  • geschwindigkeitsabhängiger Dehungswiderstand
  • gesteigerte Muskeleigenreflexe
  • gesteigerte EMG-Aktivität bei rascher Dehnung
  • Unterscheidung:
  1. primäre Veränderungen: Spastik, Dystonie, ...
  2. sekundäre Veränderungen: Muskelimbalance, Verkürzungen, ...
  3. kompensatorische Veränderungen: Fehlhaltung, Zehengang, ...
  • "Pyramidenbahnsyndrom" = Upper motor neuron syndrom (UMNS)
Positive Symptome Negative Symptome
  • Spastizität
  • gesteigerte Extremitätenreflexe
  • Massenbewegungen, gestörte Feinmotorik
  • abnorme Haltungen (spastische Dystonie), Kontrakturen
  • Parese
  • Mangel an Flexibilität/Beweglichkeit
  • vermehrte Erschöpfbarkeit
  • Stufen der Tonusveränderung:
    • Normaltonus
    • Hypertonus
    • Spastik
    • dynamische Verkürzung
    • strukturelle Verkürzung
    • Kontraktur
    • Fehlstellung
  • Vorteile Spastik vs. Parese:
    • hilft beim Transfer/Stehen/Gehen
    • Kraft ↑, Muskelvolumen ↑
    • Knochenmineralisierung ↑
    • Beinödeme ↓
    • Risiko für TVT ↓

Dokumentation

Allgemein

  • siehe auch Assessment
  • (einschießende) Spasmen pro Zeit
  • VAS / NRS
  • ROM
  • Rivermead Motor Assessment (OEX + UEX)
  • Box and Block Test (B&B)
  • Nine-Hole-Peg-Test (NHP)
  • Action Research Arm Test (ARAT)
  • Upper Extremity Function Test for the Elderly (TEMPA)
  • Gehstrecke/-zeit
  • FIM / Barthel
  • SF-36

Modifizierte Ashworth-Skala

  • Grad der Tonusabnormalität bei Schädigung des 1. Motoneurons
  • Beurteilung der Spastizität bei passivem Bewegen
Grad Beschreibung
0 Kein erhöhter Tonus
1 Leichte Tonuserhöhung („catch and release“) oder minimaler Widerstand am Ende des Bewegungsausmaßes
1+ Leichte Tonuserhöhung („catch“), gefolgt von einem minimalen Widerstand
2 Stärker ausgeprägte Tonuserhöhung durch die meisten Anteile des Bewegungsweges, die betroffenen Gliedmaßen sind aber leicht beweglich.
3 Erhebliche Erhöhung des Muskeltonus, passive Bewegung ist schwierig.
4 keine passive Bewegung

Tardieu-Skala

  • Literatur: Spastizität messen
  • Bewegung der Muskelgruppe
    • 1. so langsam wie möglich → Winkelangabe des Bewegungsausmaßes
    • 2. so schnell wie möglich → Winkelangabe, bei der ein Stopp auftritt{
Stufe Beschreibung
0 kein Widerstand während der passiven Bewegung durch das volle Bewegungsausmaß
1 leichter Widerstand ohne "Anschlag"
2 klarer Stopp ("catch") in einer bestimmten Winkelstellung, der die passive Bewegung unterbricht, aber dann nachlässt
3 erschöpflicher Klonus in einer bestimmten Winkelstellung, der kürzer als 10 Sekunden dauert, wenn die Position gehalten wird
4 unerschöpflicher Klonus in einer bestimmten Winkelstellung, länger als 10 Sekunden, wenn die Position gehalten wird
5 Bewegung nicht möglich

Neuro-orthopädische Tests

Funktion Test Muskel
Hüftbeugespastik Thomas-Test M. iliopsoas
Duncan-Ely-Test M. rectus femoris
Rotation im Hüftgelenk Neutral-Null-Methode
Adduktionsspastik Knie-Abstand Adduktoren
Phelps-Gracilis-Test Adduktoren vs. M. gracilis
Gracilis-Test Adduktoren vs. M. gracilis
Kniebeugespastik Langsitz-Test mediale Mm. ischiocrurale
Poplitealwinkel mediale Mm. ischiocrurale
spastischer Spitzfuß Plantarflexion M.triceps surae
Silverskiöld-Test M. gastrocnemius vs. M. soleus
Tardieu-Test M. triceps surae
Dorsalextension M. tibialis anterior

Therapie

  • keine kausale Therapie möglich
  • Ziel: Lebensqualität
    • Funktionsverbesserung, Kontraktubehandlung
    • Verbesserung der Therapierbarkeit
    • Pflege- und Hygieneerleichterung
    • Verbesserung des Körperselbstbildes
    • Schmerzreduktion
  • Unterscheidung fokale/nicht-fokale Spastizität

Prophylaxe

  • Beseitigung spastikauslösender Ursachen:
    • Schmerzen, psychosoziale Stressoren
    • Blasenentleerungsstörungen
    • Obstipation, Blähungen
    • Infektionen/Entzündungen
    • Dekubitus/Druckstellen
    • Unruhe (Umgebung, innerlich)
    • Lagerung (Lagerungsorthesen), Hilfsmittelversorgung
    • Kleidung (nicht zu eng), tonusreduzierende orthopädische Schuhe
    • Pflegehandling

medikamentös

  • systemisch:
  • Tolperison (Mydocalm®): max. 3 x 150 mg/d
  • Baclofen (Lioresal®): max. 120 mg/d
  • Tizanidin (Sirdalud®): max. 36 mg/d
  • Dantrolen (Dantamacrin®): max. 200mg/d
  • ggf. untereinander kombinieren oder mit
    • Tetrazepam (Musaril®): max. 200-400 mg/d
    • Flupirtin (Katadolon®): max 600 mg/d, experimentell
    • Gabapentin (Neurontin®): max 4800 mg/d, experimentell
  • lokal:
    • Botulinumtoxin A (Botox®, Dysport®)
    • intrathecale Baclofen-Pumpentherapie (ITB) → UEX
    • Analgetika

chirurgisch

  • Redression/Gips (ggf. + Botulinumtoxin)
  • orthopädisch/plastische Chirurgie:
    • Muskel-, Aponeurosen-, Sehnenverlängerungen
    • Sehnen-/Muskeltransfers
    • Achsenkorrekturen der langen Röhrenknochen
    • Wirbelsäulenstabilisierung
    • Komplexe Rekonstruktionen des Fußskeletts oder Hüftgelenks → Schmerzreduktion, bessere Sitz-/Stehfunktion
  • lokale Denervierung
    • Nerv: chirurgisch, Phenol/Alkohol
    • Muskel: Botulinumtoxin A, Phenol/Alkohol

rehabilitativ

gerätegestützte Therapie

  • UEX
    • Stehpult
    • Laufband mit Körpergewichtsentlastung → Aktivierung von spinalen Lokomotionszentren ab 120 Schritte/Min.
    • Gangtrainer (GT1®)
      • Ziel: Steh-/Gehfähigkeit
      • Vorbereitung: Mobilisation in Rollstuhl und Stehpult (8-10 Min.)
      • 2 Fußplatten, Fallschirmgurtsystem, Gesäßstütze (→ Hüftextension), Rückwärtsgang
      • 8-Kanal-FES: funktionelles Elektrostimulations-System
      • 30 Min., 3-5x/Woche, im Anschluss Gehen in der Ebene
      • in Verbindung mit PT effektivste Lokomotionstherapie
    • Lokomat®
      • Exo-Skelett: bilaterale Roboter-Gangorthese + Laufband + Gewichtsentlastung
      • automatische Steuerung von Hüft-/Kniegelenken
      • 2 Studien für Hemiparese, Ergebnisse uneinheitlich
      • gestörte Muskelaktivierung (Wadenmuskulatur ↓, Quadrizeps ↑)
  • OEX:
    • Reha-Slide®
      • "Nudelholz"-Therapie
      • mechanischer Hand-Arm-Trainer
      • Höhenverstellbar, Neigungswinkel bis 45°, Widerstandsregler, Zählwerk
      • aufrechtes Sitzen, ggf. Fixierung
      • Bewegungen: Schulter-ABD/ADD, Ellenbogen-EX/FLEX, Handgelenks-ROT
      • Unterstützung: Führungsrolle, Schlaufenaufhängung
      • Verbindung mit Funkmaus → Üben am PC/Bildschirm → Schwierigkeitsgrade, zielorientiert
    • Bi-Manu-Track®
      • Arm-Handtrainer für wenig/keine Funktion → motorgetrieben
      • Handgriffe, ggf. Fixierung mit Schlaufe
      • Bewegungen: Unterarm-PRO/SUP, Handgelenks-EX/FLEX
      • Modi: passiv-passiv, passiv-aktiv, aktiv-aktiv
      • täglich 20 Min.
      • Ergebnis: Zufriedenheit ↑, Spastik ↓, Arm-Handfunktion ↑, Muskelkraft ↑

Weblinks