Harninkontinenz: Unterschied zwischen den Versionen
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* Provokationstests (Carbacholtest, Eiswassertest) | * Provokationstests (Carbacholtest, Eiswassertest) | ||
== Therapie == | |||
* übergeordnetes Ziel: Lebensqualität → Kompromiss aus medizinischer Notwendigkeit und individuell Akzeptablem | |||
* funktionelles Ziel: Speicherfunktion → ausreichende Blasenkapazität + ausreichende Kontinenz → Schutz der Nieren | |||
* infravesikale Obstruktion↓ und/oder Detrusorüberfunktion↓ | |||
=== konservativ === | |||
* '''Ausdrücken der Blase''' → obsolet, da Druck nicht ausreichend für vollständige Entleerung | |||
* '''transurethraler Dauerkatheter''': Silikon, wöchentlicher Wechsel, kurzer Zeitraum | |||
* '''suprapubische Harnableitung''': Reizung der Blasenschleimhaut → Blaseninfektion mittelfristig nicht vermeidbar, häufig Reflux | |||
* '''intermittierender Katheterismus''': | |||
** '''Therapie der Wahl''' bei hypo-/areflexiver Blase (oder Reflexblase unter anticholinerger Behandlung) mit großer Restharnmenge | |||
** jahrelang möglich, Infektionen vermeidbar bei steriler Technik | |||
** 4-5x tgl., leicht zu erlernen (auch für Kinder!) | |||
* '''Blasentraining''' ("Triggern"): | |||
** bei Reflexblase | |||
** suprapubisch Klopfen oder transrektal Tasten → ungesteuerte Detrusorkontraktion, günstigenfalls komplette Blasenentleerung | |||
** urodynamische Kontrolle → Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie möglich (simultane Kontraktion) → hohe inteavesikale Drücke → Folgeschäden | |||
** Kombination mit Kondomurinal möglich | |||
* '''Elektrostimulation''': Dämpfung/Stimulation; v.a. bei Detrusorhypokontraktilität | |||
* '''Medikation''': | |||
** Detrusordämpfung: | |||
*** Indikation: Urgeinkontinenz, Reflexinkontinenz (→ Umwandlung in areflexive Blase) | |||
*** anticholinerg, kalziumantagonistisch, spasmolytisch | |||
*** Restharnerhöhung → Einmalkatheterismus | |||
*** Oxibutynin, Trospiumchlorid, Tolterodine | |||
** Medikamente gegen Spastik (quergestreifte Muskulatur): | |||
*** Wirkung auf externen Sphinkter → meist nicht ausreichend | |||
*** Baclofen | |||
** α1-Blocker: | |||
*** bei inkompletter Läsion mit nicht öffnendem Blasenauslass → Blasenauslasswiderstand↓ | |||
*** Tamsulosin, Doxazosin, Alfuzosin | |||
** Detrusorstimulation: | |||
*** UAW → selten erfolgreich | |||
*** evtl. in Kombination mit α1-Blockern | |||
== Weblinks == | == Weblinks == |
Version vom 19. Oktober 2010, 22:39 Uhr
- morphologische Ursachen
- Steuerungsprobleme → neurogene Blasenstörung
Neurophysiologie
- 4 verbundene Funktionsschleifen
Großhirn - Hirnstamm
- Frontallappen → Hirnstamm/Formatio reticularis
- Input aus Kleinhirn, Basalganglien
- Störung: Parkinson, MS, Tumor, SHT, vaskuläre Erkrankungen, lokale Erkrankung Harntrakt
- intakt, wenn Detrusorkontraktionen willentlich unterbrochen werden können
- Untersuchung: Zystometrie
Hirnstamm - spinales Miktionszentrum
- Formatio reticularis → sakrales Miktionszentrum (S2-4)
- sensorische Afferenzen von Blasenmuskulatur
- notwendig für ausreichend lange Detrusorkontraktion/völlige Blasenentleerung
- Störung: Rückenmarksverletzungen, Entzündung, MS
- bei Unterbrechung keine willentliche Miktionseinleitung möglich
- intakt, wenn Detrusorkontraktion nach Aufforderung zur Entleerung
- Untersuchung: Zystometrie
Blase - sakrales Miktionszentrum - Sphincter externus urethrae
- sensorische Afferenzen Detrusor → sakrales Mitkionszentrum → Interneurone → motorische Pudenduskerne → Sphincter externus urethrae
- Koordination Detrusor/urethrale Muskulatur/Sphincterrelaxation
- Einfluss durch Schleife 4 möglich
- Störung: MS, Querschnitt, Tumor, Neuropathie/PNP, lokale Erkrankungen
- bei Störung: fehlende Sphincterrelaxation bei Detrusorkontraktion → funktionelle Obstruktion, Verlängerung der Miktion
- Untersuchung: aufwendige Neurophysiologie
autonomes Nervensystem
- sympathischer Anteil: N. hypogastricus
- Th10 - L2
- α-adrenerge Fasern: v.a. Harnröhre → Kontraktion Blasenhals/Harnröhre, Relaxation Detrusor
- β-adrenerge Fasern: v.a. Detrusor → Relaxation Harnröhre/Detrusor
- parasympathischer Anteil: N. pelvicus
- S2 - S4 (sakrales Miktionszentrum)
- Kontraktion Detrusor, Relaxation Urethra
Zerebrum - spinales Miktionszentrum
- Großhirnrinde → N. pudendus/sakrales Miktionszentrum
- willentliche Steuerung Sphincter externus urethrae
- Störung bei Tumor, SHT, MS, vaskulär, lokal
- bei Läsion keine willentliche Kontrolle Sphincter externus urethrae
- Untersuchung: EMG Sphincter externus urethrae
Neurogene Blasenfunktionsstörungen
passives Hochdrucksystem (areflexive Blase)
- Läsion spinales Miktionszentrum/Reflexbogen → Hypo-/Areflexie Detrusor
- Restharn, Überdehnung → Wandveränderung, Reflux, Stauungsniere
- Sensibilitätsstörung → Überlaufinkontinenz
aktives Hochdrucksystem (Reflexblase)
- Läsion/Störung oberhalb des sakralen Miktionszentrums
- ungesteuerte/ungehemmte Detrusorkontraktion → Erhöhung der Blasenwandspannung bereits bei Füllung (Low-Compliance-Blase) → früher Aufstau
- keine willkürliche Beeinflussung mehr möglich
- Detrusordruck abh. von Höhe der Läsion und Vegetativum (Parasympathikotonus)
- Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie: Detrusor-Kontraktion + gleichzeitiger spastischer Verschluss → Entleerung nur noch möglich, weil Sphincter externus (quergestreift) nicht so lange spastisch kontrahieren kann wie Detrusor (glatt) → kurzfristige Erschlaffung → stakkatoartige, insuffiziente Miktion
- oft kein Restharn → Reflexinkontinenz
Diagnostik
- Anamnese:
- Sexual-/Miktions-/Defäkationsfunktion (Miktionsprotokoll)
- Beeinflussung/Unterdrückung der Miktion
- Harnabgang, Harndrang, Zeit/Häufigkeit
- Restharnmessung (mehrfach)
- Harnflussmessung (Uroflowmetrie)
- urogenitaler Reflexstatus: Sensibilität/Tonus/Kontraktion Analsphincter, Analsphincter-/Cremaster-/Bulbocavernosus-Relfex
- Urodynamik mit simultaner Röntgenkontrolle → Klassifizierung, quantitativ/qualitative Darstellung
- videourodynamische Untersuchung
- videografische Aufzeichnung des Miktionsvorganges → Sekundärveränderungen (Divertikel, Reflux, Wandveränderungen)
- Provokationstests (Carbacholtest, Eiswassertest)
Therapie
- übergeordnetes Ziel: Lebensqualität → Kompromiss aus medizinischer Notwendigkeit und individuell Akzeptablem
- funktionelles Ziel: Speicherfunktion → ausreichende Blasenkapazität + ausreichende Kontinenz → Schutz der Nieren
- infravesikale Obstruktion↓ und/oder Detrusorüberfunktion↓
konservativ
- Ausdrücken der Blase → obsolet, da Druck nicht ausreichend für vollständige Entleerung
- transurethraler Dauerkatheter: Silikon, wöchentlicher Wechsel, kurzer Zeitraum
- suprapubische Harnableitung: Reizung der Blasenschleimhaut → Blaseninfektion mittelfristig nicht vermeidbar, häufig Reflux
- intermittierender Katheterismus:
- Therapie der Wahl bei hypo-/areflexiver Blase (oder Reflexblase unter anticholinerger Behandlung) mit großer Restharnmenge
- jahrelang möglich, Infektionen vermeidbar bei steriler Technik
- 4-5x tgl., leicht zu erlernen (auch für Kinder!)
- Blasentraining ("Triggern"):
- bei Reflexblase
- suprapubisch Klopfen oder transrektal Tasten → ungesteuerte Detrusorkontraktion, günstigenfalls komplette Blasenentleerung
- urodynamische Kontrolle → Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie möglich (simultane Kontraktion) → hohe inteavesikale Drücke → Folgeschäden
- Kombination mit Kondomurinal möglich
- Elektrostimulation: Dämpfung/Stimulation; v.a. bei Detrusorhypokontraktilität
- Medikation:
- Detrusordämpfung:
- Indikation: Urgeinkontinenz, Reflexinkontinenz (→ Umwandlung in areflexive Blase)
- anticholinerg, kalziumantagonistisch, spasmolytisch
- Restharnerhöhung → Einmalkatheterismus
- Oxibutynin, Trospiumchlorid, Tolterodine
- Medikamente gegen Spastik (quergestreifte Muskulatur):
- Wirkung auf externen Sphinkter → meist nicht ausreichend
- Baclofen
- α1-Blocker:
- bei inkompletter Läsion mit nicht öffnendem Blasenauslass → Blasenauslasswiderstand↓
- Tamsulosin, Doxazosin, Alfuzosin
- Detrusorstimulation:
- UAW → selten erfolgreich
- evtl. in Kombination mit α1-Blockern
- Detrusordämpfung: