Fibromyalgiesyndrom: Unterschied zwischen den Versionen

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#* GI-Beschwerden (z. B. Globusgefühl, dyspeptische Beschwerden und Stuhlunregelmäßigkeiten) → Reizmagen und Reizdarm
#* GI-Beschwerden (z. B. Globusgefühl, dyspeptische Beschwerden und Stuhlunregelmäßigkeiten) → Reizmagen und Reizdarm
#* Miktionsbeschwerden (z. B. Algurie, Dysurie, Pollakisurie) → Reizblase
#* Miktionsbeschwerden (z. B. Algurie, Dysurie, Pollakisurie) → Reizblase
        3. Kopfschmerzen: Kopfschmerz vom Spannungstyp
#* Kopfschmerz vom Spannungstyp
        4. Gesichtsschmerzen, nächtliches Zähneknirschen: Myoarthropathie Kiefergelenke
#* Gesichtsschmerzen, nächtliches Zähneknirschen &rarr, CMD
        5. Chronische Unterbauchschmerzen: Chronic pelvic pain (Frau) bzw. Prostatodynie (Mann)
#* Chronische Unterbauchschmerzen → Chronic pelvic pain (Frau), Prostatodynie (Mann)
        6. Herzbezogene Beschwerden (z. B. Palpitationen, thorakales Druckgefühl): Funktionelle Herzkreislaufbeschwerden
#* Herzbezogene Beschwerden (z. B. Palpitationen, thorakales Druckgefühl) → Funktionelle Herzkreislaufbeschwerden
        7. Atembezogene Beschwerden (z. B. Gefühl der Atemhemmung): Funktionelle Atembeschwerden
#* Atembezogene Beschwerden (z. B. Gefühl der Atemhemmung) → Funktionelle Atembeschwerden
        8. Ohrgeräusche, Geruchs- und Lärmüberempfindlichkeit, empfindliche Augen: Reizüberempfindlichkeit
#* Ohrgeräusche, Geruchs-/Lärmüberempfindlichkeit, empfindliche Augen → Reizüberempfindlichkeit
        9. Vermehrtes Frieren oder Schwitzen, Kältegefühl der Extremitäten "Evidenz"grad 5, Empfehlungsgrad offen, starker Konsens
#* Vermehrtes Frieren oder Schwitzen, Kältegefühl der Extremitäten
 
# Beeinträchtigungen in Alltagsfunktionen (Arbeit, Haushalt, Freizeit, Sexualität) → ICF-orientiert
  16. Anamnese Beeinträchtigungen: Es wird empfohlen, die mit den körperlichen und psychischen Beschwerden assoziierten Beeinträchtigungen in Alltagsfunktionen (Arbeit, Haushalt, Freizeit, Sexualität) zu erfragen. Bei der Anamnese ist die Orientierung an der ICF (International Classification of Functioning hilfreich.
# Ursachenüberzeugung/subjektive Krankheitstheorie, Ressourcen/Bewältigungsstrategien, krankheitsfördernde Mechanismen
      "Evidenz"grad 5, Empfehlungsgrad offen, Konsens
# aktuelle psychosoziale Stressoren (Beruf, Partnerschaft, Familie) und biographische Belastungsfaktoren (emotionale Vernachlässigung, körperliche und sexuelle Gewalterfahrungen, Aufwachsen mit mindestens einem chronisch kranken Elternteil)
 
# aktuelle/frühere psychiatrische/psychotherapeutische Behandlungen, Einnahme von Psychopharmaka
  17. Anamnese Ursachenüberzeugungen/ subjektive Krankheitstheorie(n): Es wird empfohlen, die Ursachenüberzeugung/ subjektive Krankheitstheorie(n) sowie Ressourcen, Bewältigungsstrategien und krankheitsfördernde Mechanismen zu erfragen.
* keine weiterführende apparative Diagnostik bei typischem Beschwerdekomplex und fehlenden klinischen Hinweisen
      "Evidenz"grad 5, Empfehlungsgrad offen, starker Konsens
* Fachärztliche/fachpsychologische Untersuchung bei
 
** Angabe von aktuellen schwerwiegenden psychosozialen Stressoren
  18. Anamnese psychosoziale Stressoren: Es wird empfohlen, aktuelle psychosoziale Stressoren (Beruf, Partnerschaft, Familie) und biographische Belastungsfaktoren zu erfragen. "Evidenz"grad 5 Empfehlungsgrad offen, starker Konsens
** Angabe von aktuellen/früheren psychiatrischen Behandlungen und/oder Einnahme von Psychopharmaka
 
** Angabe von schwerwiegenden biographischen Belastungsfaktoren
      Kommentar: Unter biographische Belastungsfaktoren werden emotionale Vernachlässigung, körperliche und sexuelle Gewalterfahrungen und Aufwachsen mit mindestens einem chronisch kranken Elternteil in Kindheit und Jugend verstanden.
** maladaptiver Krankheitsverarbeitung
 
** subjektive psychologische Krankheitsattributionen
  19. Anamnese psychiatrische und/oder psychotherapeutische Behandlungen: Es wird empfohlen, aktuelle und frühere psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlungen und/oder die Einnahme von Psychopharmaka zu erfragen.
      "Evidenz"grad 5, Empfehlungsgrad offen, starker Konsens Kommentar: Eine Basis-Diagnostik zu den Inhalten der Empfehlungen 17-19 kann von allen Ärzten mit einer Qualifikation in "Psychosomatischer Grundversorgung" durchgeführt werden.
 
  20. Weiterführende apparative Diagnostik: Bei typischem Beschwerdekomplex und fehlendem klinischen Hinweis auf internistische, orthopädische oder neurologische Erkrankungen (Anamnese und klinische Untersuchung ohne Hinweis auf andere Erkrankungen als Ursachen von Schmerzen und Müdigkeit, unauffälliges Basislabor siehe Empfehlung 12.), wird empfohlen, keine weitere technische Diagnostik (weiterführendes Labor, Neurophysiologie, Bildgebung) durchzuführen. "Evidenz"grad 5, Empfehlungsgrad offen, starker Konsens
 
  21. Fachärztliche/fachpsychologische Untersuchung: Eine fachpsychotherapeutische Untersuchung (Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, ärztlicher oder psychologischer Psychotherapeut) wird bei folgenden Konstellationen empfohlen:
        1. Anamnestische Angaben von aktuellen schwerwiegenden psychosozialen Stressoren
        2. Anamnestische Angaben von aktuellen oder früheren psychiatrischen Behandlungen und/oder Einnahme von Psychopharmaka
        3. Anamnestische Angaben von schwerwiegenden biographischen Belastungsfaktoren
        4. Maladaptive Krankheitsverarbeitung
        5. Subjektive psychologische Krankheitsattributionen "Evidenz"grad 5, Empfehlungsgrad offen, Konsens


== Weblinks ==
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Version vom 3. Dezember 2010, 13:27 Uhr

Diese Seite ist im Wesentlichen eine Zusammenfassung der AWMF-Leitlinie "Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie des Fibromyalgiesyndroms" (siehe Weblinks)

Grundlagen

Chronic widespread pain (CWP)

  • meist assoziiert mit anderen körperbezogenen Beschwerden wie Druckschmerzempfindlichkeit, Steifigkeits-/Schwellungsgefühl (Hände, Füße, Gesicht), Müdigkeit/Schlafstörungen, GI-Beschwerden, Parästhesien, Ängstlichkeit/Depressivität, Kopfschmerzen/Migräne
  • Dimensionen: Häufigkeit, Dauer, Intensität, Zahl der Schmerzorte, schmerzassoziierte Behinderungen, körperliche und psychische Begleitsymptome
  • Kriterien (ACR):
    • Schmerzen > 3 Monate
    • Achsenskelett (HWS, BWS/Thorax, LWS)
    • rechte und linke Körperhälfte
    • oberhalb und unterhalb der Taille

funktionelles somatisches Syndrom (FSM)

  • "medically unexplained somatic symptoms" → ohne erklärende strukturelle Organschädigung oder biochemische Abweichungen
  • Beispiele:
    • Fibromyalgiesyndrom (FMS)
    • unspezifischer Rückenschmerz
    • Reizmagen-/Reizdarmsyndrom
    • Spannungskopfschmerz
    • Reizblase
    • chronischer Unterbauchschmerz

Fibromyalgiesyndrom

  • Definition mehrdimensional:
    • körperliche Symptome
    • seelische Symptome
    • Beeinträchtigungen
    • subjektive Krankheitsüberzeugungen
    • Krankheitsverhalten
    • Krankheitsbewältigung
  • Definition nach ACR:
    • Anamnese: CWP
    • Klinik: > 11/18 Tenderpoints
  • "Kontinuum des Symptomkomplexes": Subgruppen → CWP, FMS
  • Ausprägung der Symptome im zeitlichen Verlauf sehr stabil
  • Tender Points:
    • umschriebene Druckschmerzempfindlichkeit an Muskel-Sehnenansätzen definiert
    • Hinweis auf herabgesetzte Schmerzschwelle
    • Zahl der Tender Points korreliert mit Ausmaß des körperlichen und psychosozialen Distress

Diagnose

  • nach symptombasierten Kriterien (CWP + Steifigkeits-/Schwellungsgefühl Hände/Füße/Gesicht + Müdigkeit/Schlafstörungen)
  • fakultativ TP (für die klinische Diagnose nicht notwendig)
  • positive Kontrollpunkte schließen die Diagnose FMS nicht aus
  • Empfehlungen:
  1. Schmerzskizze
  2. Medikamentenanamnese (UAW?)
  3. körperliche Untersuchung/Ganzkörperstatus
  4. Labor
    • BSG, CRP, BB (DD Polymyalgia rheumatica, rheumatoide Arthritis)
    • Kreatinkinase (DD Muskelerkrankungen)
    • Kalzium (DD Hyperkalziämie)
    • TSH (DD Hypothyreose)
    • ANA/ANCA nur klinischen Hinweisen (Gelenkschwellungen etc.)
  5. systematische Erfassung assoziierter Symptome
    • Körperliche Müdigkeit, vermehrte Erschöpfbarkeit
    • Kognitive Störungen (Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen)
    • Morgensteifigkeit > 15 Minuten, Schwellungsgefühl Hände/Füße/Gesicht
    • Ein-/Durchschlafstörungen, nicht erholsamer Schlaf
    • Ängstlichkeit
    • Depressivität "Evidenz"grad 5, Empfehlungsgrad offen, starker Konsens
  6. systematische Erfassung weiterer Symptome assoziierter funktionell somatischer Syndrome
    • GI-Beschwerden (z. B. Globusgefühl, dyspeptische Beschwerden und Stuhlunregelmäßigkeiten) → Reizmagen und Reizdarm
    • Miktionsbeschwerden (z. B. Algurie, Dysurie, Pollakisurie) → Reizblase
    • Kopfschmerz vom Spannungstyp
    • Gesichtsschmerzen, nächtliches Zähneknirschen &rarr, CMD
    • Chronische Unterbauchschmerzen → Chronic pelvic pain (Frau), Prostatodynie (Mann)
    • Herzbezogene Beschwerden (z. B. Palpitationen, thorakales Druckgefühl) → Funktionelle Herzkreislaufbeschwerden
    • Atembezogene Beschwerden (z. B. Gefühl der Atemhemmung) → Funktionelle Atembeschwerden
    • Ohrgeräusche, Geruchs-/Lärmüberempfindlichkeit, empfindliche Augen → Reizüberempfindlichkeit
    • Vermehrtes Frieren oder Schwitzen, Kältegefühl der Extremitäten
  7. Beeinträchtigungen in Alltagsfunktionen (Arbeit, Haushalt, Freizeit, Sexualität) → ICF-orientiert
  8. Ursachenüberzeugung/subjektive Krankheitstheorie, Ressourcen/Bewältigungsstrategien, krankheitsfördernde Mechanismen
  9. aktuelle psychosoziale Stressoren (Beruf, Partnerschaft, Familie) und biographische Belastungsfaktoren (emotionale Vernachlässigung, körperliche und sexuelle Gewalterfahrungen, Aufwachsen mit mindestens einem chronisch kranken Elternteil)
  10. aktuelle/frühere psychiatrische/psychotherapeutische Behandlungen, Einnahme von Psychopharmaka
  • keine weiterführende apparative Diagnostik bei typischem Beschwerdekomplex und fehlenden klinischen Hinweisen
  • Fachärztliche/fachpsychologische Untersuchung bei
    • Angabe von aktuellen schwerwiegenden psychosozialen Stressoren
    • Angabe von aktuellen/früheren psychiatrischen Behandlungen und/oder Einnahme von Psychopharmaka
    • Angabe von schwerwiegenden biographischen Belastungsfaktoren
    • maladaptiver Krankheitsverarbeitung
    • subjektive psychologische Krankheitsattributionen

Weblinks