Spastik
Aus phys-med
Grundlagen
- Unterbrechung inhibitorischer deszendierender Bahnen
→ fehlende Hemmung mono-/polysynaptischer spinaler Regelkreise
→ Erregbarkeitssteigerung von α-Motoneuronen, Überwiegen extrapyramidaler Bahnen
- Pyramidenbahnzeichen:
- pathologische Reflexe (Babinski)
- Spasmen, Klonus
- Kokontraktionen durch verminderte reziproke Hemmung
- assoziierte Bewegungen ("Massentendenzen")
Klinik
- geschwindigkeitsabhängiger Dehnungswiderstand
- gesteigerte Muskeleigenreflexe
- gesteigerte EMG-Aktivität bei rascher Dehnung
- Unterscheidung:
- primäre Veränderungen: Spastik, Dystonie, ...
- sekundäre Veränderungen: Muskelimbalance, Verkürzungen, ...
- kompensatorische Veränderungen: Fehlhaltung, Zehengang, ...
- "Pyramidenbahnsyndrom" = Upper motor neuron syndrom (UMNS)
Positive Symptome | Negative Symptome |
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- Stufen der Tonusveränderung:
- Normaltonus
- Hypertonus
- Spastik
- dynamische Verkürzung
- strukturelle Verkürzung
- Kontraktur
- Fehlstellung
- Vorteile Spastik vs. Parese:
- hilft beim Transfer/Stehen/Gehen
- Kraft ↑, Muskelvolumen ↑
- Knochenmineralisierung ↑
- Beinödeme ↓
- Risiko für TVT ↓
Dokumentation
Allgemein
- siehe auch Assessment
- (einschießende) Spasmen pro Zeit
- VAS / NRS
- ROM
- Rivermead Motor Assessment (OEX + UEX)
- Box and Block Test (B&B)
- Nine-Hole-Peg-Test (NHP)
- Action Research Arm Test (ARAT)
- Upper Extremity Function Test for the Elderly (TEMPA)
- Gehstrecke/-zeit
- FIM / Barthel
- SF-36
Modifizierte Ashworth-Skala
- Grad der Tonusabnormalität bei Schädigung des 1. Motoneurons
- Beurteilung der Spastizität bei passivem Bewegen
Grad | Beschreibung |
---|---|
0 | Kein erhöhter Tonus |
1 | Leichte Tonuserhöhung („catch and release“) oder minimaler Widerstand am Ende des Bewegungsausmaßes |
1+ | Leichte Tonuserhöhung („catch“), gefolgt von einem minimalen Widerstand |
2 | Stärker ausgeprägte Tonuserhöhung durch die meisten Anteile des Bewegungsweges, die betroffenen Gliedmaßen sind aber leicht beweglich. |
3 | Erhebliche Erhöhung des Muskeltonus, passive Bewegung ist schwierig. |
4 | keine passive Bewegung |
Tardieu-Skala
- Literatur: Spastizität messen
- Bewegung der Muskelgruppe
- 1. so langsam wie möglich → Winkelangabe des Bewegungsausmaßes
- 2. so schnell wie möglich → Winkelangabe, bei der ein Stopp auftritt{
Stufe | Beschreibung |
---|---|
0 | kein Widerstand während der passiven Bewegung durch das volle Bewegungsausmaß |
1 | leichter Widerstand ohne "Anschlag" |
2 | klarer Stopp ("catch") in einer bestimmten Winkelstellung, der die passive Bewegung unterbricht, aber dann nachlässt |
3 | erschöpflicher Klonus in einer bestimmten Winkelstellung, der kürzer als 10 Sekunden dauert, wenn die Position gehalten wird |
4 | unerschöpflicher Klonus in einer bestimmten Winkelstellung, länger als 10 Sekunden, wenn die Position gehalten wird |
5 | Bewegung nicht möglich |
Neuro-orthopädische Tests
Funktion | Test | Muskel |
---|---|---|
Hüftbeugespastik | Thomas-Test | M. iliopsoas |
Duncan-Ely-Test | M. rectus femoris | |
Rotation im Hüftgelenk | Neutral-Null-Methode | |
Adduktionsspastik | Knie-Abstand | Adduktoren |
Phelps-Gracilis-Test | Adduktoren vs. M. gracilis | |
Gracilis-Test | Adduktoren vs. M. gracilis | |
Kniebeugespastik | Langsitz-Test | mediale Mm. ischiocrurale |
Poplitealwinkel | mediale Mm. ischiocrurale | |
spastischer Spitzfuß | Plantarflexion | M.triceps surae |
Silverskiöld-Test | M. gastrocnemius vs. M. soleus | |
Tardieu-Test | M. triceps surae | |
Dorsalextension | M. tibialis anterior |
Therapie
- keine kausale Therapie möglich
- Ziel: Lebensqualität
- Funktionsverbesserung, Kontraktubehandlung
- Verbesserung der Therapierbarkeit
- Pflege- und Hygieneerleichterung
- Verbesserung des Körperselbstbildes
- Schmerzreduktion
- Unterscheidung fokale/nicht-fokale Spastizität
Prophylaxe
- Beseitigung spastikauslösender Ursachen:
- Schmerzen, psychosoziale Stressoren
- Blasenentleerungsstörungen
- Obstipation, Blähungen
- Infektionen/Entzündungen
- Dekubitus/Druckstellen
- Unruhe (Umgebung, innerlich)
- Lagerung (Lagerungsorthesen), Hilfsmittelversorgung
- Kleidung (nicht zu eng), tonusreduzierende orthopädische Schuhe
- Pflegehandling
medikamentös
- systemisch:
- Tolperison (Mydocalm®): max. 3 x 150 mg/d
- Baclofen (Lioresal®): max. 120 mg/d
- GABA-B-Agonist ⇒ Verstärkung der präsynaptischen Hemmung (Muskelspindelafferenzen ↓ ⇒ mono-/polysynaptische Reflexe ↓)
- antinozizeptiv, Magensäure ↑
- Tizanidin (Sirdalud®): max. 36 mg/d
- α2-Adrenozeptor-Agonist
- Wirkung v.a. spinal → Freisetzung exzitatorischer Aminosäuren aus Interneuronen ↓
- Dantrolen (Dantamacrin®): max. 200mg/d
- hemmt Freisetzung von Calcium intramuskulär
- ggf. untereinander kombinieren oder mit
- Tetrazepam (Musaril®): max. 200-400 mg/d (Benzodiazepine → GABA-A-Agonisten)
- Flupirtin (Katadolon®): max 600 mg/d, experimentell
- Gabapentin (Neurontin®): max 4800 mg/d, experimentell
- lokal:
- Botulinumtoxin A (Botox®, Dysport®)
- intrathecale Baclofen-Pumpentherapie (ITB) → UEX
- Analgetika
- CAVE: Muskelkraft ↓ → Transfers
chirurgisch
- Redression/Gips (ggf. + Botulinumtoxin)
- orthopädisch/plastische Chirurgie:
- Muskel-, Aponeurosen-, Sehnenverlängerungen
- Sehnen-/Muskeltransfers
- Achsenkorrekturen der langen Röhrenknochen
- Wirbelsäulenstabilisierung
- Komplexe Rekonstruktionen des Fußskeletts oder Hüftgelenks → Schmerzreduktion, bessere Sitz-/Stehfunktion
- lokale Denervierung
- Nerv: chirurgisch, Phenol/Alkohol
- Muskel: Botulinumtoxin A, Phenol/Alkohol
rehabilitativ
- Dehnung, Lagerung, Durchbewegen
- Splints: Druckbandagen nach Margret Johnstone → Dehnung, Tonusregulation
- Casting (serielles Gipsen)
- Lagerungs-/Funktionsschienen
- Thermotherapie:
- Eis/Kälte: Eistauchbäder, Spray, Kaltluft, Eispacks
- Dauer 15 - 20 Min.
- Wirkung initial über kutane Rezeptoren, später über verminderte Muskelspindelentladung, NLG ↓ diskutiert
- Physiotherapie:
- Bobath-Konzept
- Vojta-Therapie
- PNF
- Neurointensiv-Rehabilitation nach Kozijawkin (http://www.kontakt-reha-kozijavkin.com/)
- Konduktive Förderung nach Petö (http://www.neuropaediatrie.com/uploads/media/Petoe_lang.pdf)